Nebensächlichkeiten werden zur Kernkompetenz, Kernkompetenz wird zur Nebensächlichkeit
Mit diesen Worten charakterisierte ein mir bekannter Techniker sein Verhältnis zwischen seinem erlernten Beruf und seiner heute zusätzlich notwendigen EDV-Dokumentation und -Administration. Auch in der hausärztlichen Tätigkeit verschiebt sich dieses Verhältnis immer mehr zuungunsten unserer Arbeit mit und für den Patienten.
Kaum eine berufliche Tätigkeit ist heute noch ohne den begleitenden Einsatz der EDV denkbar. Unter dem Ziel der verbesserten Prozeßqualität geschieht dies auch in unseren Praxen. Wer von uns könnte sich noch vorstellen (außer in Einzelfällen bei Hausbesuchen, etc.) Rezepte und Zuweisungen in mehr oder weniger leserlicher Schrift handschriftlich auszustellen? Allerdings lenkt uns die notwendige ständig steigende Hinwendung zur EDV während des Gesprächs mit dem Patienten zunehmend von dessen eigentlichen Problemen ab. Gefördert auch vom Administrations- und Rechtfertigungsaufwand für die Krankenkassen (ABS-Bewilligungen, etc.), gilt unser Blick und unsere Aufmerksamkeit mehr dem Bildschirm als dem Menschen, der vor uns sitzt. Patienten beklagen dies auch zunehmend mit Recht, mit ein Faktor dafür, daß andere Heilberufe, die Ihre Zuwendung und Zeit ganz dem Hilfesuchenden widmen, boomen. Wir müssen aufpassen und verhindern, daß wir uns als Ärzte immer mehr zu akademisch graduierten medizinischen EDV-Administratoren entwickeln.
Ein Dilemma, das sich mit ELGA durch die Menge an zugänglichen Dokumenten und den Zeitaufwand diese auf für uns notwendige Informationen zu prüfen, wieder um einen „Quantensprung“ verschlimmern könnte. ELGA sollte daher nicht als „Informations-Hängematte“ für Patienten dienen, die den Aufwand und die Verantwortung für die Informationsbeschaffung komplett auf den Arzt abschieben wollen. Selbstbestimmung des Patienten („Patient-Empowerment“) wird sich auch in Zeiten von ELGA an dessen Mitarbeit bei der gezielten Anamnese und sonstiger Informationsbeschaffung messen.
Politik und Verantwortliche arbeiten derzeit im Rahmen des kürzlich beschlossenen ELGA-Gesetzes an deren Umsetzung. ELGA kann uns in vielen Situationen aber nur dann wirklich mit Information unterstützen, wenn wir selbst unsere Wünsche und Anforderungen in die Gestaltung einbringen. Nehmen Sie sich bitte die Zeit, sich selbst laufend über Entwicklungsstand und –absichten zu informieren und Ihre Einwände und Forderungen bei den Verantwortlichen (Politik, Sozialversicherung, Arztsoftwareentwickler, etc.) einzubringen. Nutzen Sie dazu Veranstaltungen zu diesem Thema (Conect Informunity „E-Health“ , Business Circle „ELGA Dialog-Forum“, ADV ) oder initiieren Sie selbst z.B. Bezirksärztetreffen oder Kundentreffen Ihrer Arztsoftwarehersteller. Überlassen Sie dies nicht alleine den Vertretern unserer Ärzte-Kammern und sonstiger Interessensvertretungen, denn nur mit deren aktiver Unterstützung durch die ärztliche Basis sind diese in der Lage politisches Gewicht zu erreichen.
Nur von uns selbst an der Basis gestaltete praxistaugliche „Usability“ wird der EDV jenen Platz und Umfang in unserer ärztlichen Tätigkeit zuweisen, der ihr zusteht und uns langfristig den Schwerpunkt auf der Beschäftigung mit unserer Kernkompetenz, der Medizin, erhalten.
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